Ein Ort zum Heilen

30 Jahre AWO Frauenwohngemeinschaft „Haus Lebensbrücke“

Schon der AWO-Gründerin Marie Juchacz lag die Unterstützung von Frauen in schwierigen Lebenslagen sehr am Herzen. Das ist auch 100 Jahre später bei der Arbeiterwohlfahrt noch so, zum Beispiel in der Frauenwohngemeinschaft „Haus Lebensbrücke“ in Erfurt, die in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen feiert. Unscheinbar und mitten im Wohnviertel liegt die betreute Wohngemeinschaft für volljährige Frauen in besonderen sozialen Schwierigkeiten, die in dieser stationären Form einzigartig in Thüringen ist.

Bis zu acht Klientinnen können hier für die Dauer von circa zwei Jahren aufgenommen werden. Sie alle verbinden nicht nur mannigfaltige Problemlagen, die hinter ihnen liegen oder sie noch begleiten, sondern vor allem der Wille, in eine neue, bessere Zukunft zu starten. Die drei Sozialarbeiterinnen des „Haus Lebensbrücke“ arbeiten mit viel Herz und Geduld daran, diesen Neustart zu ermöglichen.

Gemeinsam schauen, was möglich ist

Wir treffen die Sozialarbeiterinnen Anne Thiel und Eileen Huhndorf gemeinsam mit einer Klientin am Freitagmorgen zum gemütlichen Frühstück – eines von vielen freiwilligen Angeboten der Einrichtung. Die meisten Frauen sind um diese Zeit bereits in einer Maßnahme, haben Termine bei Ämtern oder sind bei der Arbeit oder Ausbildung.

„Genau darum geht es bei uns. Wir bieten den Frauen einerseits einen geschützten Rahmen und einen Ort, an dem sie ‚heilen‘ und sich neu sortieren können, andererseits unterstützen wir sie dabei, wieder eine Tagesstruktur zu bekommen und fit für den Arbeitsmarkt zu werden“, erklärt Anne Thiel, die auch Leiterin der Einrichtung ist.

Während einige Klientinnen bereits einen Job gefunden haben und auf der Suche nach einer eigenen Wohnung sind, fängt das Team bei anderen Frauen ganz von vorne an. Gerade junge Frauen, die beispielsweise direkt aus der Jugendhilfe kommen, fühlen sich oft überfordert, plötzlich auf sich allein gestellt zu sein.

„Wir setzen individuell dort an, wo die Klientinnen gerade stehen und schauen immer gemeinsam, was möglich ist“, schildert Sozialarbeiterin Eileen Huhndorf ruhig. Dafür sei eine gute Basis im Team unerlässlich. „Gerade, wenn man bedenkt, dass viele Frauen traumatisiert sind, ist eine verlässliche und konstante Bezugsperson sehr wichtig“, sagt sie und verweist zudem auf die Bedeutung einer guten Vernetzung mit Sozialamt, Kliniken, Justizvollzugsanstalten oder auch anderen Trägern, um den Frauen den Weg zu ebnen.

Von persönlichen Krisen zur Zukunftsperspektive

Die Frauen haben oft einen langen Leidensweg hinter sich, der unter anderen geprägt ist von drohender Obdachlosigkeit, Klinik- und Gefängnisaufenthalten, Schulden, Gewalterfahrungen und vielem mehr. Die Klientin, die mit am Tisch sitzt, lebt seit 2021 in der Einrichtung. Sie ist Anfang 30 und hat schon viel durchgemacht – psychische Probleme, zerrüttete Familienverhältnisse und schwierige Partnerschaften.

Kurz vor ihrem Einzug hat sie ihren Sohn in eine Pflegefamilie gegeben. „Das tat weh und ich brauchte Zeit, um hier in der Einrichtung anzukommen oder überhaupt nur meine Sachen auszupacken“, erinnert sie sich und nippt an ihrer Tasse Tee.

Seitdem ist viel passiert. „Ich habe meinen Papierkram sortiert, Freundinnen gefunden und nehme die Angebote der Einrichtung wie den gemeinsamen Kochabend und die Kreativangebote sehr gerne wahr.“ Mit ihren Kunstwerken veranstaltete sie sogar eine Vernissage und hat eines für den Wettbewerb zum AWO-Jahresthema „Menschenbilder“ eingereicht. „Das Haus Lebensbrücke hat mir Raum und Zeit gegeben, an meinem neuen Leben zu arbeiten.“ Und der Plan für die Zukunft steht: Die junge Frau wird ein Studium beginnen und ihren Sohn wieder zu sich holen (Anm. d. Red.: Wir drücken ihr von Herzen die Daumen!).

Langsam leeren sich die Kaffeetassen. Mit einem zuversichtlichen Blick auf ihre Klientin erklären die Sozialarbeiterinnen abschließend: „Wir sind uns bewusst, dass die Frauen ihren ‚Rucksack‘ auch nach ihrem Weg auf der Brücke weitertragen müssen. Aber wir arbeiten gemeinsam mit ihnen daran, den Balast nachhaltig herauszunehmen.“

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